Es war einmal …

 

So müsste eigentlich ein Nachruf auf die ehemals landschaftsprägenden Streuobstwiesen mit ihren hochstämmigen Obstbäumen beginnen. Rund um die Dörfer und an den Stadträndern  waren sie bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts allgegenwärtig. Der Niedergang begann nach dem 2. Weltkrieg bzw. als die EU bis 1974 Rodungsprämien bezahlte. Der Obstanbau bzw. die Ernte auf den großen Bäumen lohnte sich einfach nicht mehr. Seit den 50er Jahren verlor Deutschland ca. 75 % seiner Streuobstwiesen. Was sich wirtschaftlich nicht rentiert, wir nicht mehr gepflegt und ohne Pflege bzw. Neuanpflanzungen sterben die Bäume und die Bestände ab. Seit ca. 20 Jahren versucht man dem Trend entgegen zu wirken. Kommunen, das Land, die EU, Verbände und Vereine treiben mitunter enorme Aufwände, um die letzten Reste der alten Bäume zu pflegen bzw. neue Bäume anzupflanzen. Baden-Württemberg kommt hier eine besondere Rolle zu, besitzt das Land doch europaweit die größten zusammenhängenden Streuobstbestände. Doch aller Aufwand wird letztendlich vergeblich sein, wenn das Produkt der Streuobstwiese – das Obst – beim Konsumenten nicht die Wertschätzung erfährt, die es verdient. So greifen die Verbraucher lieber zu Apfelsaft aus Konzentrat, importiert aus China oder Osteuropa, anstatt bei den lokalen Produzenten einzukaufen.

 

Ganz aktuell macht die Mistel den hochstämmigen Obstbäumen zu schaffen. Durch den starken Mistelbefall sterben die Bäume schneller ab, als sie nachgepflanzt werden können. Hinzu kommt, dass auch heute noch immer wieder Jahrzehnte alte Streuobstbestände Bauvorhaben zum Opfer fallen. Es gibt dafür zwar Ausgleichsmaßnahmen, d.h. es werden an anderer Stelle Bäume gepflanzt, doch niemals können solche Neupflanzungen verlorengegangene Lebensräume ersetzen. Solche Aktionen sind nur Scheinlösungen, die lediglich als Rechtfertigung für begangenen Umweltfrevel dienen. Meist existiert auch kein Pflegekonzept für die neuangepflanzten Bäume, d.h. sie werden lieblos in die Erde getopft und dann vergessen. Hauptsache der bürokratischen Verordnung wurde folgegeleistet, was anschließend passiert, interessiert niemanden. Doch warum lohnt es sich, die Streuobstwiesen zu erhalten, bzw. was macht sie so wertvoll? Zum einen sind sie ein Kulturgut, das über Jahrhunderte die Menschen mit Obst und Vitaminen versorgt hat. In der heutigen Überflussgesellschaft ist das zwar kein Argument mehr, doch stehen sie in unserer ausgeräumten Natur wie vielleicht kein anderer Naturraum für die Artenvielfalt. Extensiv bewirtschaftete Streuobstwiesen sind Paradiese aus Menschenhand.  Sie sind ein Hotspot der Biodiversität. Um die 5000 Tier- und Pflanzenarten  kommen hier vor und zählen damit zu den artenreichsten Biotopen Mitteleuropas. Sie sind sozusagen unser Amazonas-Regenwald! Dieser „Regenwald“ muss jedoch gepflegt werden, damit der Charakter und die Vielfalt erhalten werden kann. Bäume müssen geschnitten werden, damit sie nicht vorzeitig vergreisen, und mindestens einmal im Jahr muss das Gras gemäht und abtransportiert werden.

 

Das Leben auf der Streuobstwiese findet in mehreren Etagen statt. So ist da zunächst die ungedüngte Wiese, die sich durch eine große Pflanzenvielfalt auszeichnet, auf der zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Pflanzenarten blühen. Dies zieht wiederum eine Vielfalt an Insekten an, von denen sich andere Tiere wie z.B. die Vögel, Mäuse, Igel, Eidechsen, Schlangen, Erdkröten und sonstige Amphibien etc. ernähren.

 

Die mittlere Etage wird durch die Stämme der Bäume repräsentiert. Auf ihnen finden sich Moose, Pilze, Algen und Flechten. Sie dienen als Lebensraum für Käfer, Asseln, Wespen und Wildbienen. Die hohlen Stämme sind unverzichtbar für alle höhlenbrütenden Vögel wie z.B. Steinkauz, Buntspecht, Wendehals, Baumläufer, Gartenrotschwanz, aber auch überlebensnotwendig für Hornissen und Fledermäuse. Deswegen sollte man auch alte, abgestorbene Bäume so lange als möglich stehen lassen.

 

Die oberste Etage wird durch die Äste und die Baumkronen bestimmt. Hier brüten Singdrossel und diverse Finkenarten. Greifvögel wie Turmfalke und Mäusebussard benutzen die Äste als Ansitz bei der Mäusejagd. Die Blüten bieten Bienen, Schmetterlingen, Schlupfwespen, Hummeln und Schwebfliegen reichlich Nahrung im Frühjahr. Im Herbst freuen sich dann Amseln und Drosseln sowie Igel, Dachs und Rehe über das Fallobst. Blätter der Bäume dienen Insekten als Nahrung, diese wiederum sind lebensnotwendig für die Frühjahrsbrüter unter den Vögeln. Die Vogelbrut im Frühjahr fällt z.B. zusammen mit dem Austreiben der Bäume und damit mit dem Auftauchen der Raupen des Frostspanners und des Apfelwicklers. Diese Obstbaumschädlinge werden von den zahlreichen Meisen, Spatzen und anderen Vögeln in Schach gehalten. Sie richten ihre Jungenaufzucht am Auftreten der Raupen dieser Insekten aus. Schätzungen gehen davon aus, dass ein Obstbaum Heimat für ca. 300 Tierarten bietet. Die Wiese und die darauf stehenden Bäume ergänzen sich ideal und bilden eine Symbiose, die letztendlich ausschlaggebend für die Artenvielfalt ist. Und schlussendlich profitiert auch der Mensch, denn was gibt es schöneres, als im Frühjahr durch das Blütenmeer auf einer Streuobstwiese zu wandern?

 

Siehe dazu auch:

Streuobstwiesen in Baden-Württemberg

 

Johannes Fink für LeO e.V.

 


Eine neue Apfelsorte entsteht:

Der ein oder andere Apfelbaumbesitzer mag sich schon mal gewundert haben, dass an ein und demselben Apfelbaum die Äpfel unterschiedlich aussehen und auch schmecken. Das hängt meist damit zusammen, an welcher Stelle des Baumes sich die  Äpfel befinden. Prinzipiell hängen die schönsten Äpfel am Baum an den sonnenbeschienen Seiten, also außen, während Äpfel im Bauminneren oft zu wenig Licht bekommen und daher nicht komplett ausreifen können. Ein professioneller Schnitt kann da durchaus Abhilfe schaffen. In wesentlich selteneren Fällen hängen an einem Ast jedoch Äpfel, die irgendwie so gar nicht zu der Sorte am Baum passen wollen.

Obstsorten wie der Apfel werden vegetativ vermehrt. D.h. von einer Edelsorte wird ein Edelreis (einjähriger Zweig) auf die unedle Sorte (Unterlage) gepfropft bzw. veredelt. So erhält man einen Baum und damit Äpfel, die genetisch identisch mit der Edelsorte sind. Pflanzt man dagegen einen Apfelkern ein und zieht das Bäumchen groß, dann kommt niemals die Sorte heraus, von der der Apfelkern stammt, da die Häfte des Erbgutes durch Fremdbefruchtung von einem anderen Apfelbaum eingetragen wird.

Wie kommt es nun dazu, dass es auf einmal eine zweite Apfelsorte  auf dem Baum gibt, obwohl niemand ein weiteres Edelreis aufgepfropft hat? Hier hat es offensichtlich eine sogenannte Knospenmutation gegeben. Auf eine Knospe haben Umwelteinflüsse eingewirkt und dafür gesorgt, dass das Erbgut mutiert. Aus dieser Knospe wächst dann ein Ast und nach drei oder vier Jahren hängen die ersten mutierten Äpfel daran. Im konkreten Fall handelt es sich um eine Knospenmutation der Sorte Goldparmäne. Die neue „Sorte“ ist komplett rot und nicht wie die Muttersorte gelbrot bzw. gelb.

Oft betrifft die Mutation nur ein Merkmal wie die Farbe. Form und Geschmack sind dann identisch mit der Muttersorte. So sind der Rote Gravensteiner und der Rote Boskoop ebenfalls Spielformen solcher Knospenmutationen. Die Goldparmäne ist übrigens eine der ältesten Apfelsorten überhaupt. Ihre Ursprünge gehen bis ins Mittelalter zurück. Dass sie einen so langen Zeitraum überlebt hat, verdankt sie wohl ihrem exzellenten Geschmack, ihrer universellen Verwendung sowie der guten Lagerfähigkeit. Hat man nur für einen Baum Platz im Garten oder auf der Streuobstwiese, dann zählt die Goldparmäne zu den absoluten Favoriten.

Johannes Fink


Apfelporträt "Jakob Fischer"

 

Die Apfelsorte Jakob Fischer ist eine eher junge „Alte Apfelsorte“. Entstanden ist sie, wie viele andere Sorten auch, als Zufallssämling. Ein gewisser Jakob Fischer aus Rottum in Oberschwaben entdeckte im Jahre 1903 ein kleines Apfelbäumchen am Waldrand und pflanzte es in seinem Garten ein. Knapp zehn Jahre später trug der Baum das erste Mal Früchte.

Der Zufall wollte es, dass die Früchte nicht nur gut im Geschmack waren, sondern auch eine stattliche Größe erreichten. Der Urbaum von 1903 ist im Jahre 2020 abgestorben, er wurde also weit über 100 Jahre alt.

Alle Äpfel der Sorte Jakob Fischer stammen durch vegetative Vermehrung von diesem Baum ab. Die wuchsstarke und robuste Sorte wird in der Literatur als Herbstapfel beschrieben. Die ersten Früchte fallen jedoch schon Anfang bis Mitte August von Baum und können durchaus zu Kompott oder Kuchen verarbeitet werden. Sein volles Aroma entfaltet der durchweg große Apfel ab September. Lagerfähig ist er eher nicht und sollte deswegen alsbald verbraucht werden. Dafür bringt er jedoch regelmäßige Erträge und ist sehr anspruchslos.

Legt man als Streuobstwiesenbesitzer Wert auf eine Rundum-Versorgung mit eigenen Äpfeln, dann füllt der Jakob Fischer die Lücke zwischen den Frühäpfeln wie dem Klarapfel (erntereif ab Juli) und späteren Äpfeln wie Goldparmäne (ab September) sowie den  lange lagerfähigen Äpfeln wie dem Brettacher (ab Oktober/November). Letzterer ist ohne großen Aufwand bis Mai und sogar Juni haltbar.

Johannes Fink


 

Apfelportrait "Gelber Bellefleur"

Der Gelbe Bellefleur zählt zu den „edlen Tafelapfelsorten“. Seinen Namen erhielt er wegen der schönen Blüte, denn Bellefleur heißt nichts anderes. Es ist eine alte Apfelsorte aus dem 18. Jahrhundert, die Anfang des 19. Jahrhunderts ihren Weg aus Nordamerika nach Europa bzw. dem Elsass fand. Über das Elsass kam der Apfel etwas später nach Schwetzingen, wo der damalige Gartendirektor mit Namen Metzger dem Markgrafen Wilhelm von Baden Äpfel dieser Sorte zum Verzehr vorlegte. Letzterer war von der Frucht  so begeistert, dass er die neue Apfelsorte zu seinem Lieblingsapfel erkor. Bekannt wurde der Gelbe Bellefleur in der Region deshalb auch als „Metzgers Apfel“ oder „Metzgers Kalvill“ (Quelle: Plantura). Der Gelbe Bellefleur ist ein eher großer, gelber, etwas gerippter, in Teilen rot gefärbter Apfel und sieht von Form und Farbe her aus wie eine Quitte, d.h. er ist eher kegel- bzw. eiförmig. Der Geschmack ist leicht säuerlich und aromatisch, ausgereift leicht nach Banane schmeckend. Sein volles Geschmackspotential erreicht er erst, nachdem er etwas gelagert wurde. Die mögliche relativ lange Lagerung (bis in den April hinein) ist ein weiterer Pluspunkt dieser Sorte. Im Supermarkt gibt es den Gelben Bellefleur nicht zu kaufen, gelegentlich findet man ihn jedoch direkt beim Erzeuger bzw. bei Hofverkäufen. Er gehört zu den Sorten, die spät geerntet werden. Frühestens ab Mitte Oktober kann man mit der Ernte beginnen, bei uns im Odenwald besser jedoch erst später, ab November. Ein Vorteil dabei ist, dass die Äpfel sehr fest und damit auch lange am Baum hängen. Der Ertrag ist regelmäßig, die Sorte neigt nicht zur Alternanz (Ertragsschwankung). Wie die meisten Tafeläpfel, ist er im Vergleich zu den klassischen Mostobstsorten etwas anspruchsvoller, was Standort und Pflege angeht. Wichtig sind eine einmalige Düngung pro Jahr mit Kompost oder organischem Dünger (z.B. Hornspäne) sowie ein regelmäßiger Schnitt. Weiterhin bevorzugt er eher warme geschützte Lagen, die es mittlerweile auch bei uns im Odenwald gibt.

 

Im Bild Äpfel der Sorte Gelber Bellefleur gegen Ende August. Der Baum ist im siebten Standjahr, hat drei extreme Trockenjahre mitgemacht und trägt zum ersten Mal Früchte. Gepflanzt wurde der Baum an einem sandigen Westhang, wurde jedoch regemäßig gedüngt und in den vergangenen Jahren auch gewässert.  Der Baum wurde selbstverständlich nicht gespritzt und die Äpfel sind deswegen deutlich unbelasteter als selbst zertifizierte Bioäpfel, da auch diese mehrfach mit Spritzmitteln behandelt werden.

Johannes Fink für LeO e.V.

 

Apfelportrait "Brettacher"

 

Der Brettacher Apfel ist eine seit über 100 Jahren bekannte lokale Apfelsorte aus dem Kreis Heilbronn. Entstanden ist er aus einem sogenannten Zufallssämling. Dabei keimte ein mit dem Trester weggeworfener Apfelkern und der sich daraus entwickelnde Baum bzw. Apfel – in diesem Fall die Sorte Brettacher – wurde für gut befunden und mittels vegetativer Vermehrung (der Veredelung) weiter verbreitet. D.h. alle Bäume dieser Sorte sind - wie alle Kulturapfelsorten generell - identische Klone des Ursprungsbaumes.  Die älteste heute noch kultivierte Apfelsorte ist übrigens der Edelborsdorfer, welcher durch fortlaufende Veredelung die letzten 900 Jahre überdauert hat. Der Brettacher Apfel hatte für die Menschen des frühen 19. Jahrhunderts ein paar entscheidende Vorteile zu bieten, die andere Äpfel in der Summe nicht hatten: Der Baum selbst ist sehr robust gegenüber Obstbaumkrankheiten und Schädlingen und stellt dabei eher geringere Ansprüche an den Boden. Sein Ertrag ist regelmäßig; auch in Jahren, in denen andere Apfelbäume keine Äpfel tragen, liefert er noch Obst. Seine Äpfel sind teilweise sehr groß. Manche Exemplare können ein Gewicht von bis zu 400 Gamm erreichen. Der Brettacher ist ein „Allrounder“, d.h. er eignet sich hervorragend sowohl als Most- und Backapfel als auch als Tafelobst, wenngleich er nicht die Süße der gängigen Supermarktäpfel hat, sondern eher säuerlich-herb schmeckt. Außerdem ist er für Allergiker geeignet. Seine größte Stärke ist jedoch seine lange Lagerfähigkeit. Die Äpfel im Bild wurden Ende März fotografiert und sehen aus, als wären sie gerade vom Baum gepflückt worden. Geschält sieht man dann ein weißes Fruchtfleisch ohne braune Stellen oder Einschlüsse, eine perfekte Apfeloptik!  Noch bis in den Mai hinein ist er zu genießen. Andere Äpfel sind da schon lange schrumpelig oder verfault und ungenießbar. Ein unschätzbarer Vorteil - nicht nur für die Menschen des letzten Jahrhunderts, sondern auch für uns, die wir eigene Äpfel über Monate nutzen können, ohne dass wir sie aus entfernten Ecken der Welt ankarren bzw. aus energieintensiven Speziallagern beziehen müssen.

 

Johannes Fink für LeO e.V.